Guillain-Barré-Syndrom - GBS
Ätiologie
- Autoimmunerkrankung
- Vermutlich Kreuzreaktion im Rahmen eines molekularen Mimikry mit Oberflächen-Lipopolysacchariden nach Infekt
- Häufig gastrointestinaler Infekt mit Campylobacter jejuni oder Atemwegsinfekt vorausgehend
- Weitere auslösende Erreger
- Cytomegalievirus, EBV-Virus, Mycoplasma pneumoniae
- Zika-Virus Infektion
- HIV-assoziiertes GBS
Epidemiologie
- Auftreten in jedem Alter
- Besonders zwischen 50-70 Lebensjahr und frühem Erwachsenenalter
- Inzidenz 1-2/100.00/Jahr
- Mortalität 3-7%
Formen
- Akute inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie (AIDP) – klassisches GBS
- Miller-Fisher Syndrom
- MFS-GBS-Mischsyndrom
- Akute motorische axonale Neuropathie (AMAN)
- Akute motorisch sensible axonale Neuropathie (AMSAN)
- Pharyngeo-zerviko-brachiale Variante (PCB-Variante)
- Rein sensible, motorisch oder ataktische Verlaufsform
- Ropper Variante
- Paraparetisches Guillain-Barré-Syndrom
- Akute Pandysautonomie
Symptome
- Auftreten ca. 1-4 Wochen nach einem Infekt der Atemwege oder Gastrointestinaltraktes
- Vorausgehender Infekt nicht immer eruierbar
- Initial Parästhesien und/oder Schmerzen (>50%)
- Rückenschmerzen (Radikuloneuritis)
Paresen
- Progrediente distal beginnende Paresen, meist erst Beine, dann Arme
- Meist recht symmetrisches Auftreten, Cave, selten asymmetrisch!
- Im Verlauf nach proximal ausbreitend
- Gelegentlich Tetraplegie
- Verlauf meist innerhalb von wenigen Tagen, selten Stunden oder 2-3 Wochen
- Atembeteiligung durch Zwerchfellparese möglich
- Bis zu 10% beatmungspflichtig
- Hirnnervenaffektion (>30%)
- Häufig Fazialisparese (häufig beidseitig)
Autonome Neuropathie
- Orthostatische Hypotonie aber auch Hypertonie
- Hyperhydrosis
- Herzrhythmusstörungen
- Bradykardie und Tachykardie möglich
- Sphinkterstörungen
- Vermehrte/reduzierte ADH Freisetzung
- Gesichtsrötung (Facial flush)
- DD Akute Pandysautonomie (GBS mit vorw. autonomen Störungen)
Besonderheiten bei der klinischen Untersuchung
Paresen
- Abgeschwächte/erloschene Reflexe
Cave: Initial erhaltene Reflexe möglich - Nachweis distal betonter, im Verlauf nach proximal entwickelnde Paresen
- Aufstehen vom Stuhl erschwert
- Erschwerter Zehenstand, Hackenstand, Faustschluß
Hirnnerven
- Okulomotorikstörung (s.u.)
- Faziale Parese - häufig beidseits
- Gaumensegelparese?
- Schluckstörung?
- Variante Miller-Fisher Syndrom mit rasch entwickelnder Ophthalmoplegie, Ataxie und Areflexie
Koordination - Gang
- Gang- oder Standataxie (Störung Tiefensensibilität)
Diagnostik des GBS
Neurographie
- Verzögerte distal motorische Latenz
- Motorische Nervenleitungsgeschwindigkeit verlangsamt
- F-Wellen verzögert oder nicht erhältlich (häufig bereits initial, sensitiv!)
- Sensible Nervenleitunsgeschwindigkeit gemindert
- Initial häufig NLG des N. ulnaris oder medianus früher betroffen als N. suralis (bis zu 30% der Pat.)
- Temporale Dispersion der SNAP und MSAP
- Evtl. Leitungsblock
- In 20% initial unauffällige Neurographie, Verlaufskontrollen daher sinnvoll
Elektromyographie
- Floride Denervierung als Zeichen einer sekundär axonalen Schädigung
- Ausgeprägte Denervierung prognostisch ungünstig
Liquor
- Erhöhtes Liquoreiweiß bis >200mg/l
- Initial Liquor häufig normal, daher evtl. Verlaufspunktion
- Normale bis leicht erhöhte Zellzahl (<50)
- "Zytoalbuminäre Dissoziation"
Labor
- Antikörper gegen Ganglioside (GM1, GM1b GD1a) nur bei Unterformen (siehe dort)
- Keine Antikörper beim klassischen GBS (AIDP)
- GM1b gehäuft bei begleitender bulbärer Symptomatik
Autonome Funktionsdiagnostik
- Elektrokardiographie (EKG)
- Herzfrequenzvarianzanalyse
- Sympathischer Hautreflex
- Schellong Test
Monitoring
- Muskelfuktionsprüfung
- Während progredienter Erkrankungsphase regelmäßige Prüfung (4-8h)
- Kardiales Monitoring (EKG)
- Prüfung Vitalkapazität
- Cave: Ateminsuffizienz
- Während progredienter Erkrankungsphase regelmäßige Prüfung (4-8h)
- Intensivmedizinische Behandlungsmöglichkeit sollte gegeben sein
Therapie des GBS - (detaillierte Informationen erst nach Ärzte-Login)
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Immunglobuline
- Rascher Beginn der Therapie sinnvoll
- Immunglobuline wahrscheinlich besser wirksam als Plasmapherese
Plasmapherese
- Frühe Therapie bessert Prognose
Immunglobuline und Plasmapherese mit gleichwertiger Wirkung
Kombination der Therapie nicht effektiver als Monotherapie
Glukokortikoide
- Keine ausreichenden Einfluss auf Rückbildung beim GBS
Expirementelle Therapien
- Eculizumab
Beatmung
- Ateminsuffizienz
- Ca. 25% der Patienten beatmungspflichtig
- Assistierte Beatmung
- Intubation
- Bei muskulärer Erschöpfung
- Aspirationsgefahr
- Vitalkapazität <15ml/kg KG
- pO2 <70mm HG oder pCO2 >45mm HG
- Im Verlauf evtl. Tracheostomie (bei unzureichender Besserung nach ca. 2 Wo.)
Immobilität
- Thromboseporphylaxe
- Atemgymnastik
Herzrhythmusstörungen
- Externer Schrittmacher
Dysphagie
- Magensonde
Neurologische Rehabilitation
- Bei häufigen residualen Symptomen sinnvoll
Verlauf
- Bei klinischer Verschlechterung DD CIDP erwägen!
- Fluktuationen nach vorübergehender Besserung möglich
- Klinische Verbesserung ca. 2-4 Wochen nach Stillstand der Progression
- 2/3 mit residualen Symptomen
- Ca. 15% komplette Rückbildung
- Äußerst selten Rezidive
Differentialdiagnose
Chronisch inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP), Chronisch inflammatorische axonale Polyneuropathie (CIAP), Critical illness Polyneuropathie, vaskulitische Polyneuropathien, medikamentös oder alkoholisch toxische Polyneuropathien, parainfektiöse Myositis, Nervenkompressionssyndrome, Poliomyelitis, HIV, Borreliose mit Meningoradikulitis, spinale Ischämie, Rückenmarkskompression, Hypokaliämie, Tetrodotoxin Intoxikation (Nach Konsum von Kugelfisch)