Eine Amputation hat für die Betroffenen schwere Folgen: Sie müssen lernen, ihren Alltag zu meistern und mit ihren teilweise schweren körperlichen Einschränkungen umzugehen. Darüber hinaus können die häufig auftretenden Phantomschmerzen quälen. Doch warum gibt es diese Schmerzen, und wo haben sie ihren Ursprung? Warum kann eine Prothese Phantomschmerzen lindern? Warum können Patienten ihre nicht mehr vorhandene Faust weiterhin gedanklich öffnen und schließen und mit nicht mehr vorhandenen Fingern gedanklich rechnen und Klavier spielen? Warum wird der sogenannte Phantomraum doch noch als dem Körper zugehörig gefühlt? Und was geschieht eigentlich im Gehirn, wenn Areale für Motorik und Sensibilität einer Extremität nicht mehr benötigt werden? Anhand zahlreicher Fallgeschichten, die fast ausnahmslos aus der persönlichen Begegnung mit seinen Patienten stammen, geht der Autor diesen Fragen nach. Die medizinisch ungeheuer spannenden Fallgeschichten stehen den literarischen Schilderungen eines Oliver Sacks, auf den der Autor immer wieder Bezug nimmt, in Empathie und Neugier am Gegenüber in nichts nach.
Das tiefe Interesse des Autors am Thema Phantomphänomene, die - wie ebenfalls anschaulich erläutert - auch beim Verlust anderer Sinneswahrnehmungen wie der zunehmenden Sehstörung, Hörminderung, bei einer Riechstörung oder sogar nach einer Geburt auftreten können, entnimmt man jeder Zeile dieses Buches. Dabei wird der ein oder andere Leser solche Phantomphänomen in Form des Phantom-Vibrationssyndroms, bei dem das eigene Handy scheinbar vibriert, bereits selbst erlebt haben. Wer über den Tellerrand hinaussehen will und wen die häufig noch unerklärlichen Funktionsweisen des Gehirnes faszinieren, wird große Freude an der Lektüre dieses Werks haben.
Absolute Leseempfehlung!
©2021 Neurologienetz
Kai-Uwe Kern, Hogrefe Verlag 2020, 1. Auflage, 312 Seiten ., € 24,95 .-