Neurofibromatose Typ 1 (ICD-10 Q.85)
Morbus von Recklinghausen, von Recklinghausen Kranhkeit
Historie
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Bennant nach Friedrich Daniel von Recklinghausen, deutscher Pathologe, 1833-1910, der die Erkrankung 1881 beschrieb
Epidemiologie
- Inzidenz 1: 3000-4500 Personen
- m=w
- Manifestation meist bereits in der frühen Kindheit
- Diagnose daher in ca. 90% bis zum 6ten Lebensjahr möglich
Genetik
- Autosomal dominante Vererbung, OMIM Datenbank 162200
- Chromosom 17q11.2
- Gen NF1- OMIM Datenbank 613113
- Tumorsuppressorgen
- Protein Neurofibromin moduliert Signaltransduktion mit dadurch bedingtem vermehrtem Zellwachstum
- NF1 codiert Neurofibromin ein cytoplasmatisches Protein, das intrazelluläre Prozesse reguliert.
- Häufige Neumutationen! (bis zu 50% der Erkrankten)
Symptome
Kutane Neurofibrome
- Bestehen aus Schwannzellen, Fibroblasten, Perineuralzellen
- Manifestation meist im Kindes- und Jugendalter (Insbesondere ab dem ca. 6 Lebensjahr (auch vorher möglich)
- Unter anderem im Rückenmark, im brachialen und sakralen Plexus möglich
- Gutartig
Plexiforme Neurofibrome
- Erhöhtes Entartungsrisiko (ca. 10-15%), insbesondere bei größerem Durchmesser ≥ 3cm
- MPNST (malignant peripheral nerve sheath tumor)
- Vorstufe häufig ANNUBP (Atypical Neurofibromatous Neoplasm with Uncertain Biologic Potential)
- Auftreten bei ca. 30-50% der Patienten
- Häufig inoperabel
Optikusgliome
- Pilozytisches Astrozytom (WHO Grad I) - gutartig
- Ausbreitung entlang der Nervi optici und Sehbahn, Affektion des Hypothalamus
- Häufig bereits früh auftretend
- Nicht immer symptomatisch
- Bis zu 20% der Patienten
Weitere Tumore
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Erhöhtes Risiko für Phäochromozytome, Astrozytome, Sarkome und Mammakarzinome
Hautmanifestation
- Café-au-lait Flecken
- Pigmentläsionen der Haut (siehe Diagnosekriterien)
- Bereits bei Geburt möglich
- Bei Erwachsenen schlechter sichtbar
- Freckling
- „Sommersprossen“ im Bereich der Axilla und auch Leiste
- Lentigines
- Dermale melanozytäre Nävi
Bluthochdruck
- Phäochromozytom oder
- Fibromuskuläre Dysplaseie der Nierenarterien
Augenmanifestation
- Lisch-Knötchen – Pigmentierte Hamartome der Iris - Melanozytenanreicherung
- Optikusgliome
- Strabisumus
- Retinale „Korkenzieher“-Gefäßveränderungen
Knochen
- Tibia
- Pseudarthrose
- Ausdünnung und Verkrümmung
- Unterarm
- Verkrümmung
- Dysplasie des Keilbeins
- Skoliose mit/ohne Kyphose
- Osteoporose
- Vergrößerter Kopfumfang
- In den ersten Lebensjahren regelmäßige Messung
- Pectus excavatus „Trichterbrust“
- Kleinwüchsigkeit
Gefäße
- Fibrmuskuläre Dysplasie
- Stenose und Schlaganfälle
Weitere Symptome
- Entwicklungsverzögerung
- Kognitive Störungen
- Konzentrationsstörungen
- Aufmerksamkeitsstörungen
- Periphere Neuropathien
Besonderheiten bei der klinischen Untersuchung
Diagnostik
Ophthalmologische Untersuchung
- Lisch-Knötchen
- Mit Spaltlampe
- Fundoskopie
- Untersuchung auf Optikusgliom2
Internistische Untersuchung
- Abklärung Bluthochdruck (Siehe Symptome)
- Katecholamine im Urin (Bei V.a. Phäochromozytom)
- Polysomnographie (Bei Schlafstörungen)
- Ultraschall der Nieren
Hautärztliche Untersuchung
- Screening Untersuchung auf kutane Manifestation
Orthopädische Untersuchung
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Röntgen der Extremitäten
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Evtl. Bildgebund des Kopfes mittels Computertomographie
Genetische Testung
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Sequenzierung des Neurofibromin Gens
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Nach Ausschluß einer NF1, Diagnostik auf ein Legius-Syndrom (OMIM-Datenbank 611431)
Radiologische Diagnostik
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Bildgebung der Knochen (siehe „orthopädische Diagnostik“)
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Kernspintomographie
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Kopf
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Gel. nicht raumfordernde unspezifische Läsionen ohne Kontrastmittelaufnahme
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Optikusgliome2
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sowie der Wirbelsäule
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Abklärung Tumoren des Rückenmarks oder des sakralen Plexus
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Nachweis plexiformer Tumoren2
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Ganzkörperuntersuchung mittels MRT
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Zur Tumorsuche2
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Kernspinangiographie
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Extra-/intrakraniellen Gefäße
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Zur Diagnostik im Hinblick auf Kaliberunregelmäßigkeiten
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Nuklearmedizinische Diagnostik
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PET-CT2
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Zur ergänzenden Tumorsuche
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Hohe Sensitivität
Gynäkologische Diagnostik2
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Screening auf Mamma-Carcinom ab ca. 30. Lebensjahr2
Diagnosekriterien der Neurofibromatose Typ I
Diagnosekriterien nach International Consensus Group on Neurofibromatosis Diagnostic Criteria (I-NF-DC)1
- ≥ 6 Café-au-lait-Makel mit einem größten Durchmesser von > 5 mm bei präpubertären Patienten und > 15 mm bei postpubertären Patienten
- Sommersprossen in der Axillar- oder Leistengegend
- ≥ 2 Neurofibrome jeglicher Art oder 1 plexiformes Neurofibrom
- Gliom der Sehnervenbahn (Optikusgliom)
- ≥ 2 durch Spaltlampenuntersuchung identifizierte Lisch-Knötchen (Iris-Hamartome) oder≥ 2 Anomalien der Aderhaut
- Eine ausgeprägte knöcherne Läsion (z. B. Keilbeindysplasie, anterolaterale Verkrümmung des Schienbeins, Pseudarthrose eines langen Knochens)
- Eine heterozygote pathogene NF1-Variante mit einem Anteil von 50 % Variantenallelen in scheinbar normalem Gewebe (z. B. weiße Blutkörperchen)
Mindestens 2 Kriterien müssen erfüllt sein oder 1 Kriterium und ein Elternteil, das mehr als 2 Kriterien erfüllt
Therapie (Detaillierte Informationen nach Login)
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Chirurgische Therapie
- Plexiforme Neurofibrome
- Alternativ „Wait and see“
Medikamente
- Selumetinib
- MEK-Inhibitor (Koselugo)
- Inhibierung bzw. Reduktion des ‚Zellwachstums
- U.a. Reduktion Tumorvolumen und tumorassoziierte Schmerzen
- Carboplatin und Vincristin
- Zur Therapie symptomatischer/raumfordernder Optikusgliome
Verlauf
- Progrediente Erkrankung
- Phasen des Stillstandes
- Zunehmende Symptomtik im Verlauf der Erkrankung
- Lebenswerwartung reduziert3
Differenzialdiagnose
- Legius Syndrom
- Keine Entwicklung von Neurofibromen oder Lisch-Knötchen
- Akustikusneurinom
- Neurofibromatose 2
- Erkrankugnen des Rückenmarks
- Meningeome
- McCune-Albright Syndrom
Literatur
- Legius E, Messiaen L, Wolkenstein P, Pancza P, Avery RA, Berman Y, Blakeley J, Babovic-Vuksanovic D, Cunha KS, Ferner R, Fisher MJ, Friedman JM, Gutmann DH, Kehrer-Sawatzki H, Korf BR, Mautner VF, Peltonen S, Rauen KA, Riccardi V, Schorry E, Stemmer-Rachamimov A, Stevenson DA, Tadini G, Ullrich NJ, Viskochil D, Wimmer K, Yohay K; International Consensus Group on Neurofibromatosis Diagnostic Criteria (I-NF-DC); Huson SM, Evans DG, Plotkin SR. Revised diagnostic criteria for neurofibromatosis type 1 and Legius syndrome: an international consensus recommendation. Genet Med. 2021 Aug;23(8):1506-1513 (open access)
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Carton C, Evans DG, Blanco I, Friedrich RE, Ferner RE, Farschtschi S, Salvador H, Azizi AA, Mautner V, Röhl C, Peltonen S, Stivaros S, Legius E, Oostenbrink R; ERN GENTURIS NF1 Tumour Management Guideline Group. ERN GENTURIS tumour surveillance guidelines for individuals with neurofibromatosis type 1. EClinicalMedicine. 2023 Jan 13;56:101818. (open access)
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S2k-Leitlinie: Diagnostik und Therapie peripherer Nerventumoren
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Zöller M, Rembeck B, Akesson HO, Angervall L. Life expectancy, mortality and prognostic factors in neurofibromatosis type 1. A twelve-year follow-up of an epidemiological study in Göteborg, Sweden. Acta Derm Venereol. 1995 Mar;75(2):136-40.
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