Karpaltunnelsyndrom (ICD-10 G56.0)
Brachialgia parästhetica nocturna
- Erstbeschreibung durch Pierre Marie und Charles Foix 1913
- James Learmonth beschreibt 1933 die Möglichkeit einer operativen Dekompression durch Spaltung des Retinaculum flexorum
- Namensgebung durch Moersch 1938
- George Phalen dokumentierte 1966 mehrere hundert Fälle und beschrieb den nach ihm benannten Phalen-Test
Ursachen
- Kompression des N. medianus im Karpaltunnel unterhalb des Ligamentum carpi transversum.
- Meistens ohne erkennbare Ursache auftretend
- Auftreten im Rahmen von starker manueller Belastung, Schwangerschaft, Hypothyreose, Rheumaerkrankungen, posttraumatischen Handgelenksaffektionen, Gewichtszunahme möglich
Epidemiologie
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- Auftreten im Erwachsenenalter, mit dem Alter zunehmend
Symptome
Sensibilitätsstörungen
- Meist nachts oder morgens nach dem Erwachen auftretende Parästhesie oder Hypästhesie der ganzen Hand (subjektiv) oder der Finger I-III (-IV)
- Taubheitsgefühle der Hand initial häufig nur bei bestimmten Tätigkeiten (Fahrradfahren, Autofahren, Telefonieren!)
- Nächtliches Erwachen durch Sensibilitätsstörung oder Schmerzen
Schmerzen
- Typischerweise nachts
- Lokalisation
- Meist ganze Hande
- Schmerzen können bis in die Schulter ausstrahlen
Lähmungen
- Selten Parese des M. abductor pollicis brevis (positives Flaschenzeichen) und M. opponens pollicis (Siehe Bild)
Weitere Symptome
- Steifigkeitsgefühl oder Schwellungsgefühl
- Finger müssen zur Linderung bewegt oder ausgeschüttelt werden
- Symptomatik meist nachts
- Gelegentlich im Verlauf Auftreten auch tagsüber
- Häufig im Verlauf beidseitiges Auftreten des Karpaltunnelsyndroms (initial meist dominante Hand)
Daumenballenatrophie bei Karpaltunnelsyndrom

Besonderheiten bei der klinischen Untersuchung
- Tinel-Zeichen über Karpaltunnel? (Beklopfen des Medianusstammes im Bereich des Handgelenks mit elektrisierenden Mißempfindungen Digiti I-III (-IV)
- Phalen-Test (Flexion oder Extension des Handgelenks über eine Minute kann Beschwerden auslösen)
- Atrophie der Daumenballenmuskulatur?
- Zur Ausschlußdiagnostik HWS-Untersuchung (Beweglichkeit, Nackenkompressionstest, Bicepssehnenreflex (DD C5/6)...)
Diagnostik
Nervenleitungsgeschwindigkeitsmessung
- N. medianus zum M. abd. poll. brevis, vergleichend N. ulnaris (sensibel und motorisch)
- Sensible Fasern sind in der Regel zuerst betroffen
- Alternativmessung palmar zu Mm. Lumbricales (N.medianus) und Mm. interossei (N.ulnaris)
- Bei NLG immer auch Gegenseite messen!
- Siehe auch Nervenleitungsgeschwindigkeitsmesung des N. medianus
EMG
- nur selten erforderlich!
- Initial floride Denervierung, im Verlauf chronisch neurogene Umbauten nachweisbar
Therapie
- Ruhigstellung mit Handgelenksschiene (Siehe Heil-& Hilfsmittel)
- Bei fehlender Besserung auf konservative Therapie oder bei axonaler Medianusschädigung: Operative Spaltung des Ligamentum carpi transversum (endoskopische oder offene OP) in Lokalanästhesie
- Fraglich therapeutisch wirksam: Lokale Injektion von Cortison in den Karpalkanal
Verlauf
- Häufig rezidivierend
Differentialdiagnose
- Radikulopathie, rheumatische Beschwerden
Weiterführende Literatur
Fachbücher
- Mumenthaler M., Stöhr M., Müller-Vahl H.: <link medien literatur-dvds buecher>Läsionen peripherer Nerven und radikuläre Syndrome , Thieme Verlag 2007
- Bischoff C., Schulte-Mattler W.J., Conrad B.: <link medien literatur-dvds buecher>Das EMG-Buch, Thieme-Verlag 2005
Fachartikel
- Marie P, Foix C. Atrophie isolee de l'eminence thenar d'origine nevritique: role du ligament annulaire anterieur du carpe dans la pathogenie de la lesion. Revue Neurology (Paris). 1913;26:647-649.
- Learmonth JR. The principle of decompression in the treatment of certain diseases of peripheral nerves. Surg Clin North Am. 1933;13:905-13.
- Phalen GS. The carpal tunnel syndrome: 17 years experience in diagnosis and treatment of 654 hands . J Bone Joint Surg Am 1966; 48: 211-28.