News aus dem Fachbereich Neurologie

Aktualisierte S1-Leitlinie der DGN und DMKG - Migräne ist besser behandelbar!

Seit Dezember 2022 steht die vollständig überarbeitete S1-Leitlinie zur „Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne“ der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) und der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) zur Verfügung. Das 34-köpfige Autorenteam, federführend Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen, PD Dr. Stefanie Förderreuther, München, und Prof. Dr. Peter Kropp, Rostock, gibt auf 212 Seiten alltagstaugliche, klar verständliche Handlungsempfehlungen. Hierdurch soll die - mangels ausreichender Kenntnisse noch immer schlechte - Versorgung von Migränepatienten vor dem Hintergrund der mit dieser so häufigen Erkrankung verbundenen Krankheitslast maßgeblich verbessert werden. Hebt

Zur S1-Leitlinie: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/030-057

Im Rahmen einer Pressekonferenz der DMKG erläuterten führende Migräne-Experten am 11. Januar 2023 die wesentlichen Neuerungen:

Die neue S1-Leitlinie berücksichtigt gegenüber der vorhergehenden Version aus dem Jahr 2018 die neuesten Entwicklungen wie beispielsweise die 2022 erfolgte Zulassung neuer Substanzen aus den Substanzgruppen der Gepante (Rimegepant) und Ditane (Lasmiditan) für die Akuttherapie, deren Markteinführung in Deutschland in diesem Jahr erwartet wird. Anders als die bewährten Triptane haben Ditane keine gefäßverengende Wirkung und eignen sich daher auch für die Akutbehandlung von Patienten mit Herz-/Kreislauf-Erkrankungen.  Rimegepant hingegen ist - im Gegensatz zu den bisher bekannten Gepanten – nicht leberschädlich und kann sowohl zur Akuttherapie als auch prophylaktisch zum Einsatz kommen. PD Dr. Charly Gaul, Frankfurt, verspricht sich von diesen Substanzen daher eine bedeutsame Erweiterung der Therapiemöglichkeiten insbesondere für Patienten, für welche die herkömmlichen Analgetika und Triptane nicht zur Anwendung kommen können.

Darüber hinaus empfiehlt die überarbeitete Leitlinie, die Möglichkeiten einer medikamentösen wie nicht-medikamentösen Prophylaxe mehr auszuschöpfen und die Entscheidung für eine vorbeugende Therapie immer von Schwere und Dauer der Erkrankung sowie von den Lebensumständen des Betroffenen abhängig zu machen. Neben den herkömmlichen Medikamenten zur medikamentösen Migräneprophylaxe wie Betablockern und Amitriptylin gewinnt die Therapie mit monoklonalen Antikörpern (Erenumab, Fremanezumab, Galcanezumab und seit 2022 auch das erstmals intravenös verabreichbare Eptinezumab)  - vor allem wegen ihrer guten Verträglichkeit und schnellen Wirksamkeit - zunehmend an Bedeutung.

Mit der bisherigen Praxis, eine medikamentöse Prophylaxe nach sechs bis neun Monaten zu überprüfen und maximal für 12 Monate durchzuführen, bricht die Leitlinie:

„Für Patienten mit längerer Migräneanamnese und Begleiterkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen können 12, 24 oder sogar mehr Monate Prophylaxe nötig sein“, betont PD Dr. Tim Jürgens, Güstrow. Er lenkt den Blick außerdem auf die in der neuen Leitlinie herausgearbeiteten speziellen Therapiesituationen in der Prophylaxe, die sich z.B. hinsichtlich der Migräne-Aura, bei Kindern und Jugendlichen, Schwangeren und bei der menstruellen Migräne ergeben.

PD Dr. GudrunGoßrau, Dresden, begrüßt, dass die Migräneprophylaxe im Sinne einer personalisierten Therapie Eingang in die neue S1-Leitlinie gefunden hat, und verdeutlicht die Dringlichkeit einer effektiven und auf die jeweilige Person zugeschnittenen Therapie im Hinblick auf die Krankheitslast und die drohende Chronifizierung.

Eine umfassende Darstellung der für Patienten oft sehr relevanten nicht-medikamentösen Therapiemöglichkeiten rundet das Leitlinien-Werk ab und trifft sogar Aussagen zu wirkungslosen Verfahren (z.B. Piercing, Homöopathie, Diäten). „Nicht-medikamentöse Therapien sind die unverzichtbare zweite Säule jeder Migränebehandlung“, stellt PD Dr. Stefanie Förderreuther, München, fest. Viele Patienten profitierten von dem Gefühl, aktiv auf ihren Krankheitsverlauf Einfluss nehmen zu können, wie das beispielsweise durch regelmäßigen Ausdauersport, das Erlernen von Verfahren zur Stressbewältigung und von Entspannungstechniken möglich sei. Die überarbeitete Leitlinie berücksichtigt im Übrigen auch die inzwischen als wirksam bewiesene nicht-invasive Neurostimulation des Trigeminusnervs durch Klebeelektroden an der Stirn, auch wenn bislang (noch) keine generelle Kostenübernahme durch die Krankenkassen gewährleistet ist. Schließlich bezieht die neue S1-Leitlinie digitale Anwendungen wie telemedizinische Angebote zu Diagnostik und Therapie sowie Smartphone-Apps (oft in Form sog. Kopfschmerz-Tagebücher) ein; auch wenn zu deren Wirksamkeit keine spezifische Aussage getroffen werden könne, seien diese digitalen Angebote – gewisse Mindeststandards vorausgesetzt -durchaus als geeignete Instrumente zur Verlaufsdokumentation und Erfolgskontrolle anzusehen, wobei der Gesichtspunkt des Datenschutzes nicht vernachlässigt werden dürfe.

© Neurologienetz 2023 Dr. Christine Thilmann

Aktualisierte S1-Leitlinie der DGN und DMKG - Migräne ist besser behandelbar!

Seit Dezember 2022 steht die vollständig überarbeitete S1-Leitlinie zur „Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne“ der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) und der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) zur Verfügung. Das 34-köpfige Autorenteam, federführend Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen, PD Dr. Stefanie Förderreuther, München, und Prof. Dr. Peter Kropp, Rostock, gibt auf 212 Seiten alltagstaugliche, klar verständliche Handlungsempfehlungen. Hierdurch soll die - mangels ausreichender Kenntnisse noch immer schlechte - Versorgung von Migränepatienten vor dem Hintergrund der mit dieser so häufigen Erkrankung verbundenen Krankheitslast maßgeblich verbessert werden. Hebt

Zur S1-Leitlinie: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/030-057

Im Rahmen einer Pressekonferenz der DMKG erläuterten führende Migräne-Experten am 11. Januar 2023 die wesentlichen Neuerungen:

Die neue S1-Leitlinie berücksichtigt gegenüber der vorhergehenden Version aus dem Jahr 2018 die neuesten Entwicklungen wie beispielsweise die 2022 erfolgte Zulassung neuer Substanzen aus den Substanzgruppen der Gepante (Rimegepant) und Ditane (Lasmiditan) für die Akuttherapie, deren Markteinführung in Deutschland in diesem Jahr erwartet wird. Anders als die bewährten Triptane haben Ditane keine gefäßverengende Wirkung und eignen sich daher auch für die Akutbehandlung von Patienten mit Herz-/Kreislauf-Erkrankungen.  Rimegepant hingegen ist - im Gegensatz zu den bisher bekannten Gepanten – nicht leberschädlich und kann sowohl zur Akuttherapie als auch prophylaktisch zum Einsatz kommen. PD Dr. Charly Gaul, Frankfurt, verspricht sich von diesen Substanzen daher eine bedeutsame Erweiterung der Therapiemöglichkeiten insbesondere für Patienten, für welche die herkömmlichen Analgetika und Triptane nicht zur Anwendung kommen können.

Darüber hinaus empfiehlt die überarbeitete Leitlinie, die Möglichkeiten einer medikamentösen wie nicht-medikamentösen Prophylaxe mehr auszuschöpfen und die Entscheidung für eine vorbeugende Therapie immer von Schwere und Dauer der Erkrankung sowie von den Lebensumständen des Betroffenen abhängig zu machen. Neben den herkömmlichen Medikamenten zur medikamentösen Migräneprophylaxe wie Betablockern und Amitriptylin gewinnt die Therapie mit monoklonalen Antikörpern (Erenumab, Fremanezumab, Galcanezumab und seit 2022 auch das erstmals intravenös verabreichbare Eptinezumab)  - vor allem wegen ihrer guten Verträglichkeit und schnellen Wirksamkeit - zunehmend an Bedeutung.

Mit der bisherigen Praxis, eine medikamentöse Prophylaxe nach sechs bis neun Monaten zu überprüfen und maximal für 12 Monate durchzuführen, bricht die Leitlinie:

„Für Patienten mit längerer Migräneanamnese und Begleiterkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen können 12, 24 oder sogar mehr Monate Prophylaxe nötig sein“, betont PD Dr. Tim Jürgens, Güstrow. Er lenkt den Blick außerdem auf die in der neuen Leitlinie herausgearbeiteten speziellen Therapiesituationen in der Prophylaxe, die sich z.B. hinsichtlich der Migräne-Aura, bei Kindern und Jugendlichen, Schwangeren und bei der menstruellen Migräne ergeben.

PD Dr. GudrunGoßrau, Dresden, begrüßt, dass die Migräneprophylaxe im Sinne einer personalisierten Therapie Eingang in die neue S1-Leitlinie gefunden hat, und verdeutlicht die Dringlichkeit einer effektiven und auf die jeweilige Person zugeschnittenen Therapie im Hinblick auf die Krankheitslast und die drohende Chronifizierung.

Eine umfassende Darstellung der für Patienten oft sehr relevanten nicht-medikamentösen Therapiemöglichkeiten rundet das Leitlinien-Werk ab und trifft sogar Aussagen zu wirkungslosen Verfahren (z.B. Piercing, Homöopathie, Diäten). „Nicht-medikamentöse Therapien sind die unverzichtbare zweite Säule jeder Migränebehandlung“, stellt PD Dr. Stefanie Förderreuther, München, fest. Viele Patienten profitierten von dem Gefühl, aktiv auf ihren Krankheitsverlauf Einfluss nehmen zu können, wie das beispielsweise durch regelmäßigen Ausdauersport, das Erlernen von Verfahren zur Stressbewältigung und von Entspannungstechniken möglich sei. Die überarbeitete Leitlinie berücksichtigt im Übrigen auch die inzwischen als wirksam bewiesene nicht-invasive Neurostimulation des Trigeminusnervs durch Klebeelektroden an der Stirn, auch wenn bislang (noch) keine generelle Kostenübernahme durch die Krankenkassen gewährleistet ist. Schließlich bezieht die neue S1-Leitlinie digitale Anwendungen wie telemedizinische Angebote zu Diagnostik und Therapie sowie Smartphone-Apps (oft in Form sog. Kopfschmerz-Tagebücher) ein; auch wenn zu deren Wirksamkeit keine spezifische Aussage getroffen werden könne, seien diese digitalen Angebote – gewisse Mindeststandards vorausgesetzt -durchaus als geeignete Instrumente zur Verlaufsdokumentation und Erfolgskontrolle anzusehen, wobei der Gesichtspunkt des Datenschutzes nicht vernachlässigt werden dürfe.

© Neurologienetz 2023 Dr. Christine Thilmann

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