Im Jahre 1970 veröffentlichte Oliver Sacks mit „Migräne“ sein erstes Buch. Bei der hier vorliegenden Ausgabe handelt es sich zwar um eine 1992 vom Autor aktualisierte Version. Gleichwohl hat sich die Migräneforschung in den letzten drei Jahrzehnten stetig weiterentwickelt und neue Erkenntnisse erzielt. Das gilt nicht nur im Hinblick auf die therapeutischen Möglichkeiten, sondern betrifft auch das Grundlagenwissen. Nichtsdestoweniger haben die Ausführungen von Oliver Sacks dadurch nicht an Reiz verloren. Aufschlussreich ist nämlich noch immer zum einen seine Beschreibung des seinerzeitigen Kenntnisstandes zur Migräne, zum anderen aber auch der interessante historische Rückblick auf Zeiten, in denen weder technische noch grundlegende pathophysiologische und zellbiologische Untersuchungen möglich waren, um dieser komplexen Erkrankung auf den Grund zu gehen. Sacks schildert daher die von ihm präferierte Vorgehensweise, die ihn bekannt gemacht hat: Er hört seinen Patienten zu, beschreibt, analysiert und versucht, aus den ihm vorliegenden Fakten logische Schlüsse zu ziehen. Dabei nimmt er Bezug auf historischen Forschungen, die insbesondere durch Richard Williams Gowers und Edward Liveing Ende des 19. Jahrhunderts vorangetrieben worden waren. Abgesehen davon, dass sich auf diese Weise die Entdeckungsgeschichte der Erkrankung wunderbar nachvollziehen lässt, hat auch die in diesem Werk eindrucksvoll präsentierte klinische Beschreibung des Migränekopfschmerzes sowie der Aura nicht an Aktualität verloren. Vor diesem Hintergrund ist das Buch auch heute - 50 Jahren nach seinem Erscheinen - noch durchaus als lesenswert zu erachten.
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Oliver Sacks, 1996, Rowohlt Taschenbuch, 8. Edition, 512 Seiten, € 14.-