Liquorunterdrucksyndrom (ICD-10 G96.0, G97.0, G97.1)

 Postpunktionelles Syndrom, postpunktionelller Kopfschmerz, spontane intrakranielle Hypotension, post-lumbar puncture headache

Historie

  • Bier : Erstbeschreiber des postpunktionellen Kopfschmerzes 1898
  • Schaltenbrand : Erstbeschreiber des spontanen Liquorlecks 1938

Formen

  • Spontanes Liquorunterdrucksyndrom (ICD-10 G96.0)
  • Liquorleck nach Lumbalpunktion (ICD-10 G97.0)
  • Postpunktioneller Kopfschmerz (ICD-10 G97.1)
  • Postoperative Liquorfistel (ICD-10 G97.8)

Pathophysiologie

  • Entstehung eines Liquorunterdrucks durch Liquorverlust
  • Normaler Liquordruck zwischen 65 und 200 cm H2O, Symptome ab Druck < 50 cm H20
  • Lageabhängige Kopfschmerzen durch
    • Verlagerung des Gehirns nach kaudal, dadurch Zug an Dura und Schmerzentstehung
    • Erweiterung von venösen Gefäßen → Kopfschmerzentstehung

Ursachen

  • Nach absteigender Häufigkeit:
    • Sekundäre Verletzung der Dura:
      • Postpunktionell, nach Epiduralanästhesie, nach chirurgischen Eingriffen, SHT, Operationen im Bereich der Wirbelsäule und des Kraniums, nach Injektionen, Überdrainage eines VA-oder VP-Shunts, Liquorfistel nach Trauma
    • Primäre Verletzung der Dura:
      • Entstehung eines spontanen Duradefektes bei entsprechender Disposition (Bindegewebsschwäche bei Marfan-oder Ehlers-Danlos-Syndroms), dann meist im Bereich der oberen Wirbelsäule, thorakal oder zervikothorakal, Entstehung hier durch leichte Traumen (auch im Rahmen eines Valsalva-Manövers)

 

Epidemiologie

  • Vor allem junge, schlanke Personen
  • w > m
  • In 5-30 % nach Liquorpunktion
  • Im Alter postpunktioneller Kopfschmerz deutlich seltener
  • Adipositas schützt vor Liquorunterdrucksyndrom

Symptome

  • Leitsymptom = Lageabhängiger Kopfschmerz
  • Im Stehen oder Sitzen zunehmende Kopfschmerzen, im Liegen Verschwinden oder Besserung der Kopfschmerzen
  • Bei einigen Patienten zudem auch lageunabhängiger Kopfschmerz
  • Bifrontal, occipital, holocephal, drückend oder pulsierend, mittelschwer bis schwer
  • Auftreten mit Latenz von 1-2 Tagen nach Trauma (Lumbalpunktion, spinale Anästhesie, chirurgische Eingriffe usw.)
  • Weitere mögliche Symptome:
    • Übelkeit, Erbrechen, Tinnitus, Schwerhörigkeit, Schwindel, Kollapsneigung, Bewusstseinsstörung, Doppelbilder (Läsion der Hirnnerven III, IV, und VI), Nackenschmerzen, Radikulo-und Myelopathie, chronisches Subduralhämatom
  • Neurologischer Befund unauffällig
  • Dauer der Kopfschmerzen zwischen 4 und 8 Tagen, maximal 14 Tage

Besonderheiten bei der klinischen Untersuchung

Diagnostik

  • Typische Anamnese und Klinik

Liquordruckmessung

  • Cave: Erneute Punktion kann erneutes Liquorleck herbeiführen
  • Liquordruck im Liegen < 60 cm H20, selten normaler Liquoreröffnungsdruck
  • Ggf. leichte Pleozytose und Eiweißerhöhung im Liquor

Bildgebung

  • Kernspintomographie
    • Kontrastmittel-Enhancement der Meningen
    • Erweiterung der Venenplexus
    • Kaudalverlagerung des Kleinhirns, kaudale Verlagerung des Hirnstamms mit Tonsillentiefstand (wie bei Arnold-Chiari-Malformation I)
  • Computertomographie
    • Blutungen wie chronisches SDH sichtbar
  • Dünnschicht-CT-Myelographie:
    • Darstellung des Liquorlecks

Therapie (Detaillierte Informationen nach Login)

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Medikamente

  • Theophyllin
  • Koffein
  • Gabapentin
  • Triptane oder andere Schmerzmittel nicht oder kaum wirksam

Epiduraler Blutpatch

  • Behandlung ab Symptomdauer > 5 Tage, bis dahin oft spontane Remission der Symptomatik
  • Mit 10-30ml Eigenblut (auch ohne Lokalisation des Lecks möglich)
  • Besserung der Symptome in bis zu 90% beim postpunktionellen Kopfschmerz
  • Bei Kontraindikation gegen Eigenblut (HIV, Sepsis):
    • Patch mit Dextran oder 0,9%Nacl
    • Nach operativen Traumen und Lokalisation des Defektes:
    • Fibrinkleber (CT-gesteuert) oder Naht, Clip

Verlauf

  • Remission innerhalb von Wochen (bis maximal Monate)

Differenzialdiagnose

Klinisch

Im MRT

  • Meningeosis neoplastica, Hypophysenadenom als Ursache (scheinbar vergrößerte Hypophysen durch Tonsillentiefstand), Meningeale Reizreaktion nach LP, Lues, TBC, Wegener-Granulomatose, Sarkoidose

Prophylaxe

  • Verwendung einer dünnen Punktionsnadel ( ≥ 25 Gauge)
  • Atraumtische Punktion
  • Bei traumatischer Nadel, Schliff der Nadel parallel zu Durafasern ausrichten (drängt Fasern nur auseinander, keine traumatische Affektion der Fasern)
  • Bettruhe, Lagerung und viel Trinken nach Liquorpunktion hat keinen präventiven Effekt!

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