Morbus Wilson (ICD-10 E83.0)
Hepatolentikuläre Degeneration, Pseudosklerose Westphal, Westphal-Strümpell Syndrom, Wilson Krankheit
- Erste Krankheitsbeschreibungen durch Frerichs 1860 (Deutscher Pathologe (1819-1885)), Gowers 1888, Romero 1890 sowie Westphal 1883 und Strümpell 1898
- Ausführliche Beschreibung der Erkrankung 1912 durch Samuel Alexander Kinnier Wilson (1878-1937) als progressive lentikuläre Degeneration
- 1902 & 1903 Beschreibung des gleichnamigen Kornealrings durch Kayser und Fleischer
Genetik
- Mutation der kupfertransportierenden p-Typ-ATPase (ATP7B) auf Chromosom 13q14,3-q21,1
- >350 bekannte Mutationen
- In Europa am häufigsten H1069Q Mutation (liegt bei ca. 20% der Patienten homozygot vor)
- Verschiedene Mutationen bedingen verschiedenen Phänotypen
Ätiologie
- Unzureichende biliäre Exkretion von Kupfer mit Bindung an Coeruloplasmin, verminderte Ausscheidung über die Nieren
- Akkumulation in verschiedenen Geweben, insbesondere Leber, Gehirn (Stammganglien), Cornea aber auch Herz und Nieren
Epidemiologie
- Prävalenz ca. 1:30.000-1:300.000 Einwohner (je nach Region sehr variabel)
- Auftreten meist zwischen dem 5 und ca. 45. Lebensjahr
- m=w
Symptome
Internistische Symptome bei Morbus Wilson
Hepatopathie
- Hepatitis: akut, teilweise foudroyant verlaufend oder chronisch mit Leberzirrhose
- (Integumenten-) Ikterus
- Hepatomegalie
- Fettleber
- Aszites
Herz
- EKG-Veränderungen
- Arrhythmien
- Kardiomyopathie
- Autonome Funktionsstörungen
Blutbild
- (Coombs-negative) Hämolysen
- Leukozytopenie
- Thrombozytopenie
- Gerinnungsstörungen
Nierenfunktionsstörung
- Proximale und oder tubuläre Dysfunktion
- Aminoazidurie, Proteinurie
- Urolithiasis
- Nephrokalzinose
Gastrointestinaltrakt
- Pankreatitis
- Peritonitis
Auftreten der initernistischen Symtomatik, insbesondere Hepatopathie bereits im Kindesalter möglich (meist nach 5. Lebensjahr)
Neurologische Symptomatik
- Auftreten in zweiter und dritter Dekade, gel. auch später
- Bei ca. 40% Erstmanifestation
Hirnnerven
- Dysarhtrie /Dysphonie, teilweise tremorös sakkadierende Sprache
- Hypersalivation
- Nystagmus
Bewegungsstörungen
- Tremor (Ruhe-) meist jedoch eher Halte-, Intentionstremor, flapping tremor) häufig Frühsymptom
- Zerebelläre Ataxie
- Hypokinetisch-rigides Syndrom, mit Dysarthrie und Tremor
- Arrhythmisch-hyperkinetische Verlaufsform
- fokale oder generalisierte Dystonie
- Störung der Feinmotorik
- hypokinetische oder ataktischGangstörung
- Rigide dystone Fehlhaltungen
Epilepsie
- Selten fokale oder generalisierte Anfälle
Psychiatrische Symptome
- Depressive Symptomatik mit Antriebsstörung
- Schizophrene Psychose
- Unruhe, Aggressivität
- Gedächtnis-, Konzentrations- oder Aufmerksamkeitsstörungen
Ophthalmologische Symptome
- Kayser-Fleischer Kornealring in Descement-Membran
- Sonnenblumen Katarakt
- Nystagmus
Endokrinologische Störungen
- Amenorrhoe, Pubertas tarda
Diagnostik
Labor
- Gesamt-Kupfer im Serum
- Normwerte: 75-130µg/dl
- Morbus Wilson: Erniedrigt <20µg/dl
- Coeruloplasmin im Serum
- Normwert: 20-60mg/dl
- Morbus Wilson: Ca. 85% erniedrigt
- Kupfer im 24h Urin
- Normwert: 20-60µg
- Bei Morbus Wilson erhöht (meist >100µg)
- Nach Gabe eines Chelatbildners: >80µg/24h, bis >1000µg/24h möglich
- Leberwerte
- GOT,GPT, GGT
- Bilirubin
- Alkalische Phosphatase
- Evtl. Cholinesterase
- Differentialblutbild mit Thrombozyten
- Elektrolyte
- Natrium, Kalium, Kalzium, Phosphat
- Eisen
Kernspintomographie des Kopfes
- T2 Wichtung:
- Hyperintensitäten oder gemischte symmetrische Intensitäten im Putamen, Thalamus, Nucleus caudatus, Globus pallidum
- Gel. ringförmige Hyperintensität im Putamen
- Face of the giant Panda (Pandabärzeichen) in axialer Schichtung durchs Mittelhirn
- T1-Wichtung:
- Iso- oder Hypointensitäten in den Stammganglien
- MRT nur in ca. 50% der Fälle positiv
Transkranielle Duplexsonographie
- Vermehrte Echogenität der Basalganglien
FDG-PET
- Gestörter Glukosemetabolismus in den Stammganglien
Akustische evozierte Potentiale (AEP)
- Verlängerte Interpeaklatenzen III-V und I-V
- In ca. 50% der Fälle positiv
Blinkreflex
- R1 häufiger als R2 Latenzen verlängert
- In ca. 50% der Fälle positiv
AEP und Blinkreflex vermehrt auffällig bei Patienten mit Hirnstammaffektion
Genetische Testung
- Aufgrund hoher Zahl an Mutationen schwieiriger Nachweis
- Genetische Testung bei eindeutiger Diagnostik nicht zwingend erforderlich
Internistische und ophthalmologische Abklärung
- Siehe unter "Procedere"
Therapie - detaillierte Informationen nach Ärzte-Login
D-Penicillamin
Trientine (Triethylentetramin-Hydrochlorid)
Zink (-sulfat, azetat, aspartat)
Tetrathiomolybdat
Kombinationstherapie
- Möglichst Kombination aus Hemmung der intestinalen Resorption und erhöhten renalen Exkretion
Allgemeine Therapiehinweise
- Die medikamentöse Therapie ist lebenslang erforderlich
- Dimercaprol bei Versagen anderer Therapien
- Zink und Trientin gut zur Langzeitbehandlung geeignet
- Bei primär neurologischer Manifestation Zink in Kombination mit Tetrathiomolybdat
Therapie in Schwangerschaft & Stillzeit
- Zink
- Dosis evtl. auf 2/3 der Ursprungsdosis reduzieren
- Möglichst keine Gabe in Stillzeit, im Falle de Stillens Blutbildkontrolle und Eisen und Kupferbestimmungen beim Kind
- D-Penicillamin
- Falls Therapie fortgeführt wird, Dosisanpassung erforderlich
Neurologische Residualsymptomatik
Tremor
- Propranolol
- Liskantin
Dystonie
- Trihexyphenidyl
- Biperiden
Diätetische Therapie
- Kupferarme Therapie meist nicht möglich und wenig effizient
- Nahrungsmittel mit hohem Kupferanteil
- Schokolade
- Broccoli
- Champignons
- Hafer
- Innereien (Leber)
- Krebse/Hummer/Krabben
- Nüsse
- Vollkornprodukte
Weiteres Procedere
- Diagnostik - wie oben beschrieben
- Internistische Untersuchung evtl. mit Leberbiopsie (erhöhter Kupfergehalt >250µg/g Trockengewicht)
- Ophthalmologische Untersuchung
- Nachweis des Kayser-Fleischer Kornealrings
- Bei neurologisch auffälligen Patienten in 95% der Fälle nachweisbar
- Ohne neurologische Auffälligkeiten in ca. 50% der Fälle
- Kernspintomographie des Kopfes
- Erstmalig nach ca. 2 Jahren, im Verlauf ca. alle 5 Jahre
- Laboruntersuchungen
- Kontrolle der Kupfermenge im 24h Sammelurin im Verlauf ca.1-2x im Jahr
- Vorher 2 tägige Medikamentenpause
- Ziel: Urinkupfermenge <80µg/die
- Regelmäßige Blutbildkontrollen, Leberwerte und evtl. der Nierenwerte (Proteinurie) in den ersten Monaten der Therapie (nur bei initial auffälligen Werten erforderlich)
Verlauf
- Präklinisches asymptomatische Stadium (in der Regel nur bei Angehörigen Betroffener)
- Klinisches symptomatisches Stadium
- Sehr variabel, Beginn mit internistischer oder neurologischer Symptomatik möglich
- Selten zu Beginn rein psychiatrische Symptomatik
- Unbehandelt letal verlaufend
Differentialdiagnose
- Menkes-Syndrom (Kupferstoffwechselstörung)
- Benannt nach John Hans Menkes 1928-2008
- x-chromosmoale Vererbung
- Juveniler und sekundärer Morbus Parkinson
- Dystonien
- Essentieller Tremor
- Chorea-Akanthozytose
- Chorea Huntington
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