Neuritis nervi optici
Retrobulbärneuritis, Optikusneuritis, Sehnerventzündung
Ätiologie
- Symptom im Rahmen einer Multiplen Sklerose oder Erstsymptom dieser Erkrankung
- Symptom einer Neuromyelitis optica
- Chronisch schubförmige inflammatorische Optikusneuritis (CRION)
- Symptom im Rahmen einer akuten demyelinisierten Encephalomyelitis (ADEM)
- Paraneoplastische Optikusneuritis
- Symptom im Rahmen einer Kollagenose (Sjögren Syndrom, Lupus erythematodes)
- Symptom einer Sarkoidose
- Neuritis nervi optici als Impfreaktion
- Fortgeleitete Entzündung (Orbita, Meningen, Nasennebenhöhlen)
Epidemiologie
- Inzidenz ca. 5/100.000
- Alter: Zweite bis vierte Dekade
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Klinik
- Subakutes Auftreten, Verschlechterung über 1-2 Wochen
- Sehstörung:
- Unscharf, Schleiersehen, dunkler
- Visusminderung von leichtgradig bis zur fast völligen Erblindung
- Gesichtsfelddefekt (gel. nur kleiner Gesichtsfelddefekt, meist zentral, aber auch peripher möglich)
- Farbentsättigung (Dyschromatopsie)
- Herabgesetztes Kontrastsehen (Häufiges Residualsymptom)
- Photopsien
- Pulfrich-Phänomen (Pendeltest s.u.)
- Afferenter Pupillendefekt (Swinging-Flashlight s.u./VEP)
- Uhthoff-Phänomen:
- Verschlechterung des Sehens bei Temperaturerhöhung oder köperlicher Aktivität
- Tritt häufig im Verlauf der Erkrankung auf
- Auftreten nur in ca. 50%
- Einseitiges Auftreten, äußerst selten (<1%) beidseitig
- Intraobitaler (Bewegungs-)Schmerz (>90%)
Besonderheiten bei der klinischen Untersuchung
- Temporale Abblassung der Papille (nicht im aktuen Krankheitsstadium)
- Swinging-Flashlight-Test (Pupillenwechselbelichtungstest):
- Pupille wird abwehchselnd beleuchtet
- Verzögerte (und abgeschwächte) Miosis auf dem betroffenen Auge
- Prüfung Stereopsie/Tiefenwahrnehmung:
- Pendeltest: Schwingendes Pendel wird nicht als auf einer Linie schwingend, sondern auf eliptischwer Bahn wahrgenommen
- Pendeltest: Schwingendes Pendel wird nicht als auf einer Linie schwingend, sondern auf eliptischwer Bahn wahrgenommen
- Sonst unaffälliger klinischer körperlicher Befund
Diagnostik
Diagnose der Neuritis nervi optici wird klinisch gestellt!
VEP
- Typischerweise einseitige Latenzverzögerung, Amplitudenminderung und Verplumpung der Potentiale
- VEP (in nur ca. 70-80% pathologisch)
- Multifokale VEPs mit höherer Spezifität
Ophthalmologische Untersuchung
- Funduskopie
- in 2/3 d.F. unauffällig ("der Patient sieht nichts, der Arzt sieht nichts")
- Temporale Abblassung der Papille (erst im Verlauf)
- Leichtes Papillenödem (ca. 30%)
- Perivaskuläre Einscheidungen (ev. Fluoreszenzangiographie)
- Visusmessung
- Gesichtsfeldperimetrie (statisch oder kinetisch (bei Visus unter 0,2))
- Eventuell optische Kohärenztomographie (OCT) oder Heidelberger Retina Tomographie (HRT)
MRT-Kopf (Orbitadünschichtaufnahmen in coronarer Schichtung)
Liquor: Nur bei atypischer Neuritis nervi optici
Labordiagnostik bei V.a. u.g. Differentialdiagnosen
Therapie (Detaillierte Informationen nach Login)
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- Methylprednisolon:
- Intravenöse Gabe über 3-5 Tage
- Eventuell orales Ausschleichen
- Gabe hat wohl keinen Einfluß auf Langzeitverlauf (s.u.)
- Bei schweren Verlaufsformen Plasmapherese
Verlauf
- Nach 4-6 Wochen Besserung der Symptomatik
- Nach 2 Monaten bei 60% normale Sehschärfe
- Nach 6 Monaten nur bei <10% Visus kleiner 0,5
- Kontrastsehen auch langfristig häufig eingeschränkt, funktionell abe rmeist irrelevant
- Gabe von Steroiden wohl ohne Effekt auf Langzeitergebnis, jedoch schnellere Besserung
- Rezidivrisiko nach 5 Jahren ca. 30%, nach 10 Jahren ca. 35%
Prognose hinsichtlich Entwicklung einer Multiplen Sklerose
- Bei unauffälligem MRT:
- Innerhalb von 5 Jahren ca. 20-25% Wahrscheinlichkeit des Übergangs in eine Multiple Sklerose
- Nach 10 Jahren Wahrscheinlichkeit <5%
- Bei auffälligem MRT (Nachweis cerebraler Herde):
- Nach 10 Jahren ca 50%
- Nach 15 Jahren ca. 75%
- Wahrscheinlichkeit ohne Vorliegen einer Kernspintomographie bei ca. 50% innerhalb von 10 Jahren
- Frauen mit höherem Risiko als Männer
- Wahrscheinlichkeit unabhängig vom Alter bei Auftreten einer Neuritis nervi optici
- Liquor:
- Positive oligoklonale Banden: Aussagekraft unklar, wohl kein sicher prädiktiver Faktor (wenn Kernspintomographie unauffällig)
- Positive MRZ-Reaktion: Geringste Sensitivität (wenn MRT unauffällig), aber hohe Spezifität bei auffälligem MRT
Differentialdiagnose
- Demyelinisierende Erkrankungen
- Akute ischämische Optikusneuritis (AION), Lebert'sche hereditäre Optikusneuropathie (LHON), Tabak-Alkohol-Amblyopie, Arteriitis temporalis, posteriore Optikusneuropathie, Vitamin B12 Mangel, Methanolvergiftung, Medikamentöse Optikusschädigung (Ethambutol, Chloramphenicol, Cisplatin, 5-Fluouracil,Cytarabin), Strahlenschädigung, diabetische Optikusneuropathie, urämische Optikusneuropathie, Pseudotumor cerebri, Infektionen (Lues, Borreliose, Toxoplasmose, CMV, Tbc), Kompression des N. opticus bei endokriner Orbitopathie,
- Chronische inflammatorische Optikusneuritis (CRION):
- Rezidiv nach Dosisreduktion
- Meist Befall von beiden Augen im Verlauf
- Dauertherapie mit Cortison über mehrere Monate (niedrigst wirksame Dosis)
- Zentrale seröse Chorioretinopathie
- Häufig junge Männer
- zentraler Gesichtsfelddefekt
- Seröse Netzhautabhebung
Weiterführende Literatur
Fachartikel
- Diagnostik und Therapie der Optikusneuritis, Wilhelm H., Schabet M., Dtsch Ärztebl 2015; 112: 616-626
- Neuritis nervi optici, Steffen H., Nervenarzt 2013; 84: 1525-1536
- Klinisch isoliertes Syndrom, Platten M., Lanz T., Bendszus, M., Diem R., Nervenarzt 2013; 84: 1247-1259
- Neuritis nervi optici und Multiple Sklerose, Ramdohr J., Dissertation der Friedrich Schiller-Universität Jena, 2010