Tourette-Syndrom (ICD-10 F95.2)

Historie

  • Eine frühe Falldarstellung bereits durch Jean-Gaspar Itard 1825 über die Marquise de Dampierre, mit Beschreibung derer motorischer und vokaler Tics
  • Benannt nach Georges Albert Édouard Brutus Gilles de la Tourette (1857-1904), französischer Neurologe,  Schüler von Jean-Martin Charcot
  • 1885 Veröffentlich Fallserie von Gilles-de-la-Tourette, die zur Namensgebung Tourette-Syndrom führte
  • Diskussion ob Wolfgang Amadeus Mozart unter dem Tourette-Syndrom gelitten haben soll

Epidemiologie

  • Beginn im Kindesalter, meist Grundschulalter
  • Auftreten bei bis zu 1% der Kinder
  • Prävalenz je nach Studie ca. 1-10/10.0000
  • m>w
  • Manifestationsalter <18 Jahre

Genetik

  • Erbliche Faktoren spielen erhebliche Rolle
  • Vermutet wird eine autosomal-dominante Vererbung mit inkompletter Penetranz
  • Risiko für Angehörige ersten Grades ca. 5-15%
  • Bisher kein Genlokus detektiert

Symptome

  • Kombination vokaler und motorischer „Tics“

Tics

  • Tic: Aus dem französischen - Nervöses Zucken
  • Unwillkürliche, abrupte Bewegungen oder Lautäußerungen
  • Unterteilung
    • Einfach-komplex
    • Vokal-Motorisch
  • Motorische Tics
    • Einfache motorische Tics
      • Blinzeln, zwinkern, Kopfzucken, Naserümpfen, Mund öffnen u.ä.
      • Schulter-, Arm-, Hand-, Bein- oder Fuß zucken bzw. bewegen u.ä.
    • Komplexe motorische Tics
      • Grimmassieren, komplexe Handbewegungen, imitieren von Bewegungen, bestimmte Schrittfolge beim Gehen
      • Hüpfen, Klatschen, unwillkürliche Gesten
      • Echopraxie: Nachahmen von Bewegungen anderer
      • Kopropraxie: Zeigen obszöner Gesten
    • Vokale Tics:
      • Einfache vokale Tics:
        • Räuspern, stöhnen, husten, grunzen, zischen ,zungenschnalzen, Nachahmen von Tiergeräuschen
      •  Komplexe vokale Tics
        • Echolalie (Nachsprechen von Wörtern), Koprolalie (Ausstoßen obszöner Worte), Palielalie Wiederholtes Aussprechen eigener Wörter
  • Tics können willentlich eine Zeit lang unterdrückt werden
  • Vor Auftreten der Tics unspezifische, unangenehme Vorahnung
  • Zunahme der Tics bei psychischer Belastung möglich
  • Abnahme hingegen bei Entspannung, Konzentration
  • Symptomatik kann fluktuieren

Häufig Komorbiditäten

  • Zwänge (sehr häufig)
  • ADHS/ADS, Depressionen, Ängste,
  • Gestörte Impluskontrolle mit Selbstverletzungen
  • Lernschwierigkeiten

Besonderheiten bei der klinischen Untersuchung

Diagnostik

  • Differenzierte Diagnosestellung unter Ausschluß organischer oder psychogener Bewegungsstörungen
  • Siehe unter Differenzialdiagnosen
  • Verlauf siehe unten
  • Schweregradskalen
    • z.B. Yale Globale Tic-Schweregrad-Skala (YGTSS)

Diagnosekriterien nach ICD-10

  • Anamnesistisch oder alktuell multiple motorische Tics und mindestens ein oder mehrere vokale Tics
  • Tics müsse nicht gleichzeitig auftreten
  • Verschlechterung während der Adoleszenz

Therapie (Detaillierte Informationen nach Login)

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Nicht-medikamentöse Therapie

  • Verhaltenstherapie
    • Comprehensive Behavioral Intervention for Tics (CBIT)
      • Beinhaltet Habit Reversal Training, funktionelle Interventionen und Psychoedukation
      • Aufmerksamkeits-Training (Awareness-Training), Erkennung von Vorgefühle (premonitory urges)
      • Gegenreaktion (Competing Response) - willkürliche Gegenbewegung zur Unterdrückung des Tics
      • Wirksamkeit in Studien belegt2,3
    • auch zur Behandlung der Begleiterkrankungen

Medikamentöse Therapie

  • Nicht immer erforderlich
  • Nur bei schwereren, den Betroffenen beeinträchtigen Tics
  • Hochpotente Neuroleptika
    • Haloperidol
    • Pimozid
    • Aripiprazol
    • Risperidon
    • Ziprasidon     
  • Mittelpotente Neuroleptika
    • Tiaprid
    • Sulpirid
    • Tetrabenazin
  • Clonidin (α2-Agonist)
  • Cannabinoide

 

Verlauf

  • Verschlechterung in der Adoleszenz
  • Verbeserung im jungen Erwachsenenalter, Häufig komplette Remissionen
  • Kann in ca. 30% über Jahre persisiteren

Differenzialdiagnose

 

Literatur

  1. G. Gilles de la Tourette: Étude sur une affection nerveuse characterisée par de l’incoordination motrice accompagnée d’écholalie et de coprolalie (jumping, latah, myriachit). In: Arch Neurol (Paris). Band 9, 1885, S. 19–42 und 158–200.
  2. Scahill L, Woods DW, Himle MB, Peterson AL, Wilhelm S, Piacentini JC, McNaught K, Walkup JT, Mink JW. Current controversies on the role of behavior therapy in Tourette syndrome. Mov Disord. 2013 Aug;28(9):1179-83 (open access)
  3. Wilhelm S, Peterson AL, Piacentini J, Woods DW, Deckersbach T, Sukhodolsky DG, Chang S, Liu H, Dziura J, Walkup JT, Scahill L. Randomized trial of behavior therapy for adults with Tourette syndrome. Arch Gen Psychiatry. 2012 Aug;69(8):795-803.(open access)

Tourette in Literatur und Film | Dokumentationen

Literatur

Filme

Dokumentation

  • Twitch and shout (Video on demand)
  • I Have Tourette's but Tourette's Doesn't Have Me (2005) (Apple TV)
  • Tourettes: I Swear I Can't Help It (BBC Documentary) 2009 (Youtube)

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