Vestibuläre Migräne (ICD-10 G43.1)
Migräne mit vestibulärer Aura, migränöser Schwindel, vertiginöse Migräne, migräne-assoziierter Schwindel, episodische Schwindelattacken bei Migräne (Engl.: vestibular migraine, migrainous vertigo, migraine with vestibular aura)
Ätiologie
- Vermutlich gesteigerte neuronale sensorische Übererregbarkeit
- Genaue Ätiologie derzeit unklar
Epidemiologie
- Prävalenz ca. 1% der Erwachsenen
- w>m
- Häufigkeit bei Migräne unklar (Angaben differieren zwischen 10-40%
- Auftreten in jedem Lebensalter möglich
Symptome der vestibulären Migräne
Schwindel
- Meist Drehschwindel, gel. aber auch Bewegungsgefühl (Schwanken, kippen)
- Gang- oder Standunsicherheit
- Dauer zwischen 30 Sekunden und Stunden, selten mehrere Tage
- Schwindel tritt häufig isoliert als einziges Symptom auf
- Auftreten meist ohne begleitende oder nachfolgende Kopfschmerzen
- Zunahme des Schwindels bei Änderung der Körperlage möglich (DD:Benigner paroxysmaler Lagerungssschwindel)
- Begleitend Gangunsicherheit, Übelkeit, Brechreiz, Erbrechen möglich
- Licht- oder Geräuschempfindlichkeit begleitend möglich
- Schwindelattacken können gel. mehrfach pro Tag auftreten
- Visuell-induzierter Schwindel (Betrachtung sich bewegender Objekte)
- Kopfbewegungsinduzierter Vertigo
- Gel. Sehstörung in Form eines verschwommenen Sehens
- Bei begleitendem Kopfschmerz kann Schwindel Migräne vorausgehen, überlappend auftreten oder nachfolgen
- Gel. nur leichter Kopfdruck
Hirnstammsymptome
- Nystagmus, sakkadierte Blkickfolge (auch im Intervall)
Migränesymptome
- Begleitende Migränesymptome bei Auftreten des Schwindels möglich aber nicht obligat!
- Visuelle Auren häufig! Wichtig bez. Diagnosesicherung in Anamneseerhebung!
- Siehe Migräne
Sonderform bei Kindern
- Beniger paroxysmaler Schwindel im Kindesalter
- Isolierte Schwindelattacken ohne Kopfschmerzen als Sonderform der kindlichen Migräne
Diagnosekriterien (Barany-Society)
Vestibuläre Migräne
- A) Mindestens 5 Attacken mit vestibulären Symptomen von milder bis schwerer Intensität mit Dauer tzwischen 5 Minuten und 72 Stunden
- B) Positive Anamnese für Migräne mit oder ohne Aura
- C) Ein oder mehr Migränesymptome bei 50% der Schwindelepisoden
- Kopfschmerz mit mind. 2 Charakteristika:
- Einseitiges Auftreten
- Pulsierender Charackter
- mittlere bis schwere Schmerzintensität
- Photophobie oder Phonophobie
- Visuelle Aura
- Kopfschmerz mit mind. 2 Charakteristika:
- D) Symptomatik nicht besser durch andere Erkrankungen erklärbar
Wahrscheinliche vestibuläre Migräne
- Mindestens 5 Attacken mit vestibulären Symptomen von milder bis schwerer Intensität mit Dauer tzwischen 5 Minuten und 72 Stunden
- Nur eines der o.g. Kriterien B oder C erfüllt
- Symptomatik nicht besser durch andere Erkrankungen erklärbar
Empfohlene Diagnosekriterien
- Rezidivierende Schwindelattacken (siehe Symptome) mit einer Dauer von 30 Sekunden bis Tagen
- Weitere begleitende Symptome zum Schwindel nicht erforderlich
- Isolierte Schwindelattacken schließen Diagnose vestibuläre Migräne nicht aus
- Positive Migräneanamnese, Auren! (aktuell oder historisch)
- Schwindel läßt sich nicht durch andere Erkrankungen erklären
- Siehe Differentialdiagnosen
Besonderheiten bei der klinischen Untersuchung
- Spontannystagmus, lageabhängiger Nystagmus möglich
- Gel. sakkadierte Blickfolge
- Okulomotorikstörungen auch im beschwerdefreien Intervall häufig nachweisbar
Diagnostik
Kernspintomographie
- Ausschluß Hirnstammprozeß
- Gefäß-Nerven-Kontakt (Ausschluß Vestibularisparoxysmie)
Hals-Nasen-Ohren-ärztliche Untersuchung
- Kalorikprüfung (Bei vestibulärer Migräne ebenfalls positive Befunde!)
- Elektronystagmographie (nicht spezifisch für Migräne)
- Untersuchung zum Ausschluß eines Morbus Menière
Therapie (detaillierte Informationen nach Ärzte-Login)
Um detaillierte Informationen zu den Präparaten zu erhalten loggen Sie sich bitte mit DocCheck in den Ärztebereich ein.
(Diese Seite muß hierzu neu geladen werden)
Akuttherapie
Schwindel
- Dimenhydrinat (Dragee, Retardkapsel, Suppositorium)
Antiemetikum
- Metoclopramid
- Domperidon
Prophylaxe
Indikation
- rezidivierdne für den Patienten belastende Schwindelattacken
- Lange Dauer der Schwindelattacken (über Tage)
- Unzureichende Wirkung der Akutmedikation
Medikation entsprechend Migräneprophylaxe
- 1. Wahl:
- Betablocker
- Flunarizin
- Valproat
- Topiramat
- Betablocker
- 2. Wahl:
- Pestwurz
- Magnesium
- Amitriptylin
- Acetylsalicylsäure
- Naprocen
- Riboflavin (Vitamin B2)
- 3. Wahl:
- Lisinopril
- Candesartan
Nicht medikamentöse Therapie
- Entspannungsverfahren (Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson, autogenes Training, Yoga)
- Treiben von Ausdauersport (Joggen, Schwimmen, Fahrradfahren)
- Streßbewältigungstraining
Differentialdiagnose
- Akuter Vestibulairsausfall, Kleinhirn-/Hirnstamminfarkt, - blutung, <link fachliches erkrankungen schwindel benigner-paroxsamaler-lagerungsschwindel>benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel, <link fachliches erkrankungen schwindel morbus-meniere>Morbus Menière , <link fachliches erkrankungen schwindel vestibularisparoxysmie>Vestibularisparoxysmie, <link fachliches erkrankungen schwindel perilymphfistel>Perilymphfistel, phobischer Schwindel, episodische Ataxie Typ 2
Literatur
- Diagnosekriterien der Bárány-Society
- Vestibuläre Migräne. Obermann et al. Aktuelle Neurologie 2013, 40: 494-500
Bitte beachten Sie unseren Haftungsausschluß