Intrazerebrale Blutung (ICD-10 I61.x)

 

Pathologie

Lokalisation

  • Stammganglien
    • "loco typico"
    • Ca. 60% der intracerebralen Blutungen
  • Lobär
    • Ca. 20% der intracerebralen Blutungen
  • Kleinhirn
  • Hirnstamm
  • Ventrikel

Ursachen

Stammganglien/Pons/Kleinhirn

  • Meist durch zerebrale Mikroangiopathie bei arterieller Hypertonie
  • Gel. auch durch AV-Malformationen (eher jüngeres Lebensalter) oder zerebrale Amyloid-Angiopathie
  • Risikofaktor: Chronischer Alkoholkonsum
  • Teleangiektasien: Häufig in der Pons lokalisiert

Lobärblutungen/atypische intracerebrale Blutung

  • Zerebrale Amyloidangiopathie (CAA)
    • Kongophile Angiopathie mit Amyloidfibrillen in Media und Adventitia in kleinen bis mittelgroßen Gefäßen sowie leptomeningeale Gefäße
    • Verengung des Gefäßlumens, Verschlüsse aber auch Aneurysmen
    • Meist frontal, parietal und okzipital lokalisiert
    • Assoziation mit Alzheimer Pathologie und Apolipoprotein E Polymorphismus
    • Vor allem höheres Lebensalter
    • Ca. 10% der intrazerebralen Blutungen
  • AV-Malformationen, durale AV-Fisteln, Aneurysmen, Angiome, Kavernome
  • Eingeblutete Hirnmetastasen, Tumoren
  • Gerinnungsstörungen
  • Sinusvenenthrombose (Stauungsblutung)
  • Medikamentös
  • Sekundäre Blutungen bei Ischämien

Epidemiologie

  • Spontane Intrazerebrale Blutungen bei ca. 30.000 Einwohner/Jahr in Deutschland
  • Männlich: Weiblich 3:2
  • Intrazerebrale Blutungen machen ca. 15% aller Schlaganfälle aus

Symptome

  • Akute fokale neurologische Ausfallserscheinungen
    • Brachiofaziale Paresen, Hemiparesen, Monoparesen
    • Aphasien, Apraxien
    • Ataxie, Koordinationsstörungen
    • Hirnstammsymptome
    • Symptomatik von zzerebraler Ischämie nicht zu differenzieren
  • Hirndruckzeichen
    • Bei großen Blutungen, Blutungen Kleinhirn
    • Kopfschmerzen
    • Übelkeit, Erbrechen,
    • Vigilanzminderung
    • Pupillenerweiterung, erst einseitig
    • Bradykardie
  • Erhöhter Blutdruck
  • Fokale und generalisierte epileptische Anfälle

Besonderheiten bei der klinischen Untersuchung

  • Siehe unter "Symptome"
  • Fokal neurologische Defizite
  • Zeichen eines Hirndrucks?

Diagnostik

Anamnese

  • Orale Antikoagulation?
  • Risikofaktoren?
  • Vorherige intrazerebrale Blutungen? (CAA)

Bildgebung

  • Cerebrale Computertomographie
    • Goldstandard: Primär hyperdense Raumforderung
    • Im Verlauf Raumforderung hypodens (nach ca. 3 Wochen)
  • Kernspintomographie
    • Keine so eindeutige Darstellung wie in der CCT
    • Akut: T1w isointens, dann hypointens, T2w hyperintens (<24h), dann hypointens
    • Subakut (nach ca. 3 Tagen): T1w: hyperintens
    • MRT/MRA geeignet zur differenzialdiagnostischen Abklärung:
      • Gefäßmalformationen?
    • Bei atypisch gelegenen Blutungen
  • CT-Angiographie
    • Bei Verdacht auf Gefäßmalformation (alternativ zur MRA)

Labor

  • Gerinnungsstatus, Thrombinzeit (wichtig bei Einnahme von Dabigatran)
  • Spezifische Faktor Xa Aktivität (wichtig bei Einnahme von Rivaroxaban, Apixaban und Edoxaban)
  • Spezifische Medikamentenspiegel

 

Therapie (Detaillierte Informationen nach Login)

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Allgemeine therapeutische Maßnahmen

  • Monitoring und Überwachung auf einer Stroke Unit (bei wachem Patienten) bzw. Intensivstation (bei komatösem Patienten)
  • Blutdrucksenkung (RRsyst.≤140mmgH)
    • Iintravenös mit Urapidil, Clonidin, ggf. auch mittels Perfusor bei anhaltend hohen Blutdrücken
    • Cave: Bei schwerer unbehandelter Hypertonie und zu starker Blutdrucksenkung Gefahr einer Autoregulationsstörung
  • Temperatursenkung, Normothermie (<37,5°)
    • Verbesserung des neurologischen Outcomes
  • Normoglykämie
    • Blutzucker  <180mmol/l anstreben
  • Eventuell Analgesie mit NSAIDs
  • Thromboseprophylaxe
    • Thrombosestrümpfe
    • Low-Dose-Heparinisierung: 24 Stunden nach Ereignis

Spezifische medikamentöse Therapie

  • Spontane inntrazerebrale Blutung
    • Evtl. Gabe von Tranexamsäure
  • Einnahme von Phenprocoumon
    • INR antagonisieren!
    • Prothrombin-Komplex-Konzentraten PPSB 
    • Vitamin K
  • Apixaban, Rivaroxaban
    • Evtl. Antagonisierung mit Faktor Xa (Andexanet alfa), abhängig von Einnahmezeitpunkt und Dosis
    • Alternativ PPSB 
  • Edoxaban
    • Eventuell PPSB 
  • Dabigatran
    • Antagonisierung mit Idarucizumab 
  • ICB durch Vollheparinisierung
    • Antagoniseung mit Protaminsulfat 

Chirurgische Therapie

  • Ausgedehnte und tiefliegende Stammganglienblutungen
    • OP bringt meistens keinen Nutzen, eher Verschlechterung
    • Ausnahme hier: Bohrloch-Blutungsdrainage (ggf. Hemikraniektomie) bei sehr jungem Alter, Koma, Einzelfallentscheidung
  • Jüngere Patienten, Blutung supratentoriell, kalottenah:
    • Im Einzelfall Indikation zur OP,insbesondere bei GCS-Verschlechterung auf GCS<9
    • OP möglichst innerhalb von 8 Stunden
  • Bei GCS-Verschlechterung auch OP von älteren Patienten (Blutung kalottennah, <1cm zur Kalotte), bei gutem prämorbidem Zustand
  • Minimalinvasive Operation /Katheteranlage wenn möglich
    • Bei Blutungen mit mind. 30 ml Volumen
    • Hämatomabsaugung
    • Intrathekale Gabe von Alteplase
  • Operation einer Aneurysma oder Angiomblutung
  • Operation von infratentoriellen Blutungen (Hirnstamm, Kleinhirn) bei raumforderndem Ödem >3cm (Gefahr der Herniation) oder klinische Zeichen der Hirnstammkompression
    • Bessere Überlebensrate
    • Klinisches Outcome trotz Operation meist nur gering gebessert
  • EVD-Anlage ggf. bei Ventrikeleinbruch, Hydrocephalus, Kompression des Aqädukts, Gefahr der Herniation
    • Ggf. i.v. Lyse über Ventrikelkatheter
  • Bei intraventrikulärer Blutung, Verlegung des 3. Und/oder 4. Ventrikels oder Zeichen eines Hydrozephalus:
    • Ventrikeldrainage
    • Intrathekale Thrombolyse mit Alteplase 1 mg alle 8h, max. 12 Gaben oder Durchgängigkeit der 3. Und 4. Ventrikels
    • Bei klinischer Indikation (z.B. steigender Hirndruck)  evtl. zusätzliche lumbale Drainage
  • Antikoagulation nach ICB
    • Erneute Gabe von Antikoagulantien nach ca. 4-8 Wochen möglich
    • Blutdruckwerte sollen im Normbereich liegen

Therapie von Komplikationen

  • Hirndruck

    • Ursachen: Größe und Lokalisation der Blutung, Nachblutung, Zunahme des Ödems

  • Allgemeine Hirndruckbehandlung
    • Konservativ:
      • Oberkörperhochlagerung (15-30%)
      • Normovolämie (ZVD 6-12 mmHg)
      • Normotonie (auch Vermeiden von Hypotonie, führt zu regulatorischer Vasodilatation mit Erhöhung des CBV und Anstieg des Hirndrucks)
      • Normoglykämie (BZ <120mg/dl, cave Hypoglykämien verschlechtern die Prognose)
      • Normothermie
        • Ggf. operative Entlastung (s. unten)
  • Epileptische Anfälle

    • Therapie mit Levetiracetam oder Valproat (Vorteil schnelles Eindosieren)
    • Überprüfung der Therapie im Verlauf:
      • Insbesondere bei  Frühanfällen!
      • Rezidivwahrscheinlichkeit geringer
    • Siehe auch unter "Epilepsie"

Verlauf

  • Prognose abhängig von
    • Blutungsgröße
    • Alter und Vorerkrankungen des Patienten
    • Lokalisation der Blutung (infratentoriell schlechtere Prognose als supratentoriell)
    • Ventrikeleinbruch
    • Schwere der klinischen Symptomatik innerhalb der ersten Tage

Differenzialdiagnose

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