Morbus Menière

Menièrsche Krankheit

  • Benannt nach Prosper Menière (1799-1862), französischer Arzt, der die Krankheit 1861 beschreibt. Jean-Martin Charcot benennt die von Menière beschrieben Erkrankung 1874 als „maladie de Menière".

Ätiologie

  • Endolymphatischer Hydrops, Ruptur der Membran zwischen Endo- und Perilymphe, dadurch Veränderung der Elektrolytzusammensetzung (Kaliumanstieg) und Depolarisation mit Störung afferenter Impulse (=Vestibularausfall)

Epidemiologie

  • 4.-6. Dekade, M=F

Klinik

  • Schwindel:
    • Meist Drehschwindel
    • Dauer: Minuten (meist >20 Min.) bis Stunden (<12h)
    • Im Verlauf nach Attacken persistierender oder fluktuierender Schwankschwindel
  • Hörverlust
    • <2000 Hz, >30dB
    • Assoziation mit Schwindel +/-24h
    • Gel. fluktuierend
    • Evtl. Selbstdiagnose mittels App!
  • Druckgefühl auf dem betroffenen Ohr (geht Schwindelsymptomatik häufig voraus)
  • Tinnitus
  • Übelkeit, Brechreiz, Erbrechen
  • Gangunsicherheit
  • Tumarkin-Otholitenkrise - Tumarkin Syndrom
    • Plötzliche, rezidivierende Stürze
    • Vermutlich Folge von plötzlichen endolymphatischen Druckschwankugnen in Utrikulus oder Sakkulus

Besonderheiten bei der klinischen Untersuchung

  • Übliche Schwindeldiagnostik
  • Horizontaler rotatorischer Spontannystagmus zur gesunden Seite (zum Zeitpunkt des Ausfalls!, initial zur betroffenen Seite)
  • Fallneigung ipsilateral bei Unterberger Tretversuch und Romberg Stehversuch
  • Positiver Kopfschütteltest (siehe Schwindeldiagnostik)

Prophylaktische Therapie

  • Betahistin
    • ≥ 3 x 96 mg/die über 12-24 Monate
    • H1R-Agonist, H3R-Antagonist
    • Kombination mit Selegilin 5 mg /die
      • Verringerung der Metabolisierung von Betahistin!
      • Erhöhung der Bioverfügbarkeit von Betahistin
  • Ototoxische antibiotische Therapie:
    • Transtympanale Katheterapplikation von Gentamycin 0,5ml (40mg/ml) (besser wirksam)
    • Wiederholung der Applikation nach 4 Wochen
    • Bis zu 6 Injektionen erforderlich
    • Erfolgsrate ca. 90%
  • Kortison transtympanal:
    • Dexamethason
    • Geringere Schädigung des Hörvermögens
  • Vestibularis-Neurektomie und Ganglion vestibulare (Scarpae)
  • Sakkotomie oder Labyrinthektomie

Diagnostik

  • Diagnosestellung durch Anamnese und körperliche Untersuchung
    • In der Regel keine neurologische Zusatzdiagnostik erforderlich/möglich
    • Ev. AEP
    • Diagnose schwierig, da nicht alle Symptome bei Attacken auftreten, gel. isolierter Schwindel o. Hörminderung
  • HNO-ärztliche Untersuchung:
    • Tonaudiogramm: Kochleäre Schallempfindungsstörung (meist Tieftonbereich)
    • Positives Recruitment,
    • Kalorische Prüfung
    • Glycerintest nach Klockhoff oder Lasix-Test:
      • Gabe von Glycerin 1,2ml/kg KG  oral oder Furosemid 20-40mg intravenös (Futaki Test)
      • Audiometrie alle 30 Minuten
      • Besserung des Hörvermögens bei 250 Hz, 500 Hz und 1000 Hz, innerhalb von max. 3h um mind. 5dB
    • Elektrocochleographie:
      • Hoch negatives Summationspotential aus Ausdruck eines endolyphatischen Hydrops
  • MRT-Kopf
    • Felsenbeindarstellung mit transtympanaler Injektion von Gadolinium (Nachweis endolymphatischer Hydrops)
    • Ausschluß Akustikusneurinom
    • Ausschluß Dehiszenz des oberen Bogengangs
     

Verlauf

  • Rasche Rückbildung der Schwindelsymptomatik
  • Gelegentlich vollständige Restitutio ohne Folgesymptome
  • Rezidivierende Attacken mit Abständen von Wochen/Monaten über Jahre
  • Entwicklung einer irreversiblen Hörminderung bei wiederholten Attacken möglich
  • Häufigkeit der Schwindelattacken über Jahre abnehmend
  • Ca. 80% Spontanremissionen innerhalb von 10 Jahren
  • Häufig im Langzeitverlauf beide Seiten betroffen (Nach 10 Jahren ca. 35%, nach 20 Jahren >45%)

Differentialdiagnose